Der Begriff „kalte Progression“ zählte für viele Menschen in Österreich nur zu den politischen Parolen von wirtschaftsliberalen Parteien, wie den NEOs. Eine wirkliche Vorstellung, was dieser Begriff bedeuten soll, hatten hingegen wenige Bürger. Diese Unwissenheit wird jetzt zunehmend durch die Medien beseitigt, denn nun wird die kalte Progression mit dem Jahr 2023 „abgeschafft“. Dies ist ein notwendiger Schritt gegen die galoppierende Inflation.
Doch rentiert sich ein zusätzlicher Erklärungsansatz zu dem Thema, denn die simplifizierte Erläuterung dieses Begriffs sorgt doch oft für Verwirrungen um die Auswirkungen bezüglich der persönlichen Einnahmen.
Wie wird die kalte Progression meist beschrieben?
Die geläufigste Erklärung zur kalten Progression schaut ungefähr folgendermaßen aus:
„Wenn das eigene Gehalt an die Inflation angepasst wird, kann es passieren, dass durch die inflationsbedingte Gehaltserhöhung der Steuerzahler in eine höhere Steuerklasse rutscht. Damit müssen mehr Steuern entrichtet werden, wodurch am Ende weniger Geld bleibt als vor der Gehaltserhöhung.“
Diese Beschreibung ist zwar keineswegs falsch, aber erfasst nicht die ganze Wahrheit. Viele österreichische Bürger denken sich nämlich anhand dieser Darlegung, dass das eigene Einkommen ohnehin so weit von der nächsten Steuerklasse entfernt ist, dass die kalte Progression sie ohnehin nicht betrifft. Das entspricht nicht der Wahrheit. Die Abschaffung der kalten Progression begünstigt jeden und jede. Das werden wir im nächsten Abschnitt erläutern.
Wie lässt sich die kalte Progression leicht verstehen?
Wer die kalte Progression genauer verstehen möchte, muss einen besonderen Blick auf unser Steuersystem mitbringen.
Auf dem Lohnzettel steht eigentlich immer die gesamte Steuerlast zusammen mit den sonstigen Informationen zu den Absetzbeträgen und den Sozialversicherungsabgaben. Dabei ist den meisten Arbeitnehmern oder sogar Selbstständigen nicht ganz klar, wie sich diese gesamte Steuerlast berechnet.
Die gesamte Steuerlast kann folgendermaßen aufgegliedert werden (nach dem alten System aus dem Jahr 2016):
- Für die ersten 11.000 Euro an Jahreseinkommen werden keine Steuern bezahlt.
- Für die nächsten 7.000 Euro bis zur bisherigen Grenze von 18.000 Euro werden 20 % Steuern fällig.
- Für die weiteren 13.000 Euro bis 31.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen werden 30 % Steuern gezahlt.
- usw.
Bei einem Jahreseinkommen von 28.000 Euro brutto ergibt sich nun die folgende Rechnung:
11.000 * 0% (0,- €) + 7.000 * 20% (1.400,- €) + 10.000 * 30% (3.000,- €) = 4.400,- € Steuerlast
Diese Berechnung wird entsprechend auch vom Portal für Unternehmensservice aufgezeigt. Bei dieser einfachen Berechnung sind das 13. und 14. Monatsgehalt sowie die Sozialvesicherungsbeiträge, welche vor der Einkommenssteuer abgezogen werden, ausgeklammert.
Trotz der Vereinfachung ermöglicht diese Berechnung ein genaueres Verständnis zur Wirkung der kalten Progression. Mit dem Jahr 2023 wird nämlich der Freibetrag von 11.000 Euro auf 11.693 Euro angehoben. Somit sind nicht mehr nur die ersten 11.000 Euro, sondern eben 11.693 Euro kostenlos bezüglich Steuern. Dies kommt jedem zu Gute, der mehr als dieses Jahreseinkommen brutto aufweist.
Weiters wird die Grenze für die 20 % von von 18.000 Euro auf 19.134 Euro angehoben. Somit zahlt jeder, der dieses Einkommen übersteigt auf 1.134 Euro mehr nur 20 % anstatt schon 30 % Steuern.
So zieht sich diese Rechnung weiter. Es stimmt natürlich, dass bei höheren Einkommen dieser Spareffekt immer größer wird und demnach hohe Einkommen ordentlich von der Abschaffung der kalten Progression profitieren, aber gerade prozentuell gesehen zahlen vor allem kleine und mittlere Einkommen auch viel weniger Steuern mit der neuen Regelung.
Hinweis: Hinzu kommen bei der Abschaffung der kalten Progression auch noch zahlreiche Erhöhungen der Grenzen für Absetzbeträge. Dies dürfte auch vielen Menschen merklich zu Gute kommen.
Quelle: https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2022/September/kalte-progression.html